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Le camp d’internés 1914-1919
Le camp d’internés 1914-1919

Dieser Internet-Auftritt verfolgt das Ziel, möglichst viele Informationen über das Internierungslager auf der Ile Longue zusammenzustellen, damit Historiker und Nachkommen der Internierten sich ein Bild von den Realitäten dieses bisher wenig bekannten Lagers machen können - nicht zuletzt auch, um die bedeutenden kulturellen Leistungen der Lagerinsassen zu würdigen.

Le but de ce site est de prendre contact avec les familles des prisonniers allemands, autrichiens, hongrois, ottomans, alsaciens-lorrains... qui ont été internés, pendant la Première Guerre mondiale, dans le camp de l’Ile Longue (Finistère).

Die Baracken vom Typ „Genie“
On-line gesetzt am 10. Januar 2019
zuletzt geändert am 18. November 2021

von Gérard
Tatsächlich gebauten Baracken vom Typ „Genie“

Als die Männer auf Île Longue ankommen, sind etwa ein Dutzend Baracken für die Internierten im Bau [1]. Fünf können bezogen werden, bis Ende November auch die anderen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden alle etwa 650 Internierten von der „Charles Martel“ nach Île Longue überführt. Die Baracken werden in den ersten Monaten mit je 60 Mann [2] belegt. Erst mit Fertigstellung weitere Baracken wird die Belegung auf 40 Mann reduziert; etwa ab 1917 auf 34 bis 36 Mann [3].

Schnitt durch eine Baracke vom Typ „Genie“

Die Baracken sind paarweise in zwei parallelen Reihen angelegt. Eine Baracke des Typs „Genie“ ist 24 m lang, einen ½ m über dem Boden 5,20 m breit und bis zum First 3,5 m hoch. Sie besteht aus einer einfachen, ohne Fundament und Bodenplatte ausgeführten Rahmenkonstruktion, die einfach im Erdreich verankert ist. Die 11 Rahmen einer Baracke sind im Abstand von 2,40 m angeordnet. Das 25° geneigte Dach und die um ca. 12° nach innen geneigten Außenwänden sind mit langen Brettern auf Stoß ohne Abdeckung der Fugen beplankt, das Dach zusätzlich mit Dachpappe gedeckt. Die Beplankung der Außenwände ist geteert, aber weder Wind- noch Regendicht. Um das Regenwasser von den schrägen Außenwänden besser abhalten zu können, werden anfänglich Regenrinnen aus Holz, später aus Blech angebracht. Das Regenwasser wird zum Teil in eingegrabenen Fässern an den Giebelseiten der Baracken gesammelt, zum überwiegenden Teil aber über Rohrleitungen in drei Zisternen mit einer Gesamtkapazität von etwa 194 m³ gesammelt. Es dient als Brauch- und Löschwasser. Erst Ende 1916 wird nach vielen Beschwerden der Internierten, insbesondere bei der amerikanischen Botschaft, die Regen- und Winddichtigkeit der Außenwände durch eine zusätzliche Ver-kleidung mit Dachpappe geändert. Die zu dieser Zeit in Frankreich verfügbare Dachpappe ist nur von minderer Qualität [4], aber die Amerikaner machen Druck, da sie Repressalien für die französischen Gefangen in Deutschland befürchten [5].

Bau der Tragwerke der Baracken vom
Typ „Genie“

In den beiden Giebelwänden sind jeweils mittig eine Tür und darüber ein Fenster, das geöffnet werden kann. In den Seitenwänden befinden sich je fünf Fenster, ca. 80 cm breit und ca. 50 cm hoch. Die Fenster sind zur besseren Lichtausbeute jeweils gegeneinander versetzt in jedem zweiten Feld angeordnet und können geöffnet werden. Die Grundfläche einer Baracke beträgt nicht ganz 125 m²; das Volumen ca. 352 m³. Von Tür zu Tür führt ein etwa 1,20 m breiter Mittelgang. Er ist direkt auf dem gewachsenen Boden mit einer Lage Bretter belegt. Links und rechts von diesem Gang befindet sich jeweils eine ca. 40 cm hohe von Giebel zu Giebel durchgehende Pritsche aus einfachen, nebeneinander gelegten Brettern auf einem Rahmen, „Feldbett“ („lit de camp“) genannt. Diese Konstruktion ist außerordentlich praktisch, da man die Zahl der Benutzer ohne weitere Ausstattung variieren kann. Der typische Strohsack ist 60 oder 70 cm breit. Bei einer Gesamtbreite von 24 m kann man so bis zu 30 dieser „Matratzen“ nebeneinander legen. Und das geschieht auch.

Grundriss einer Baracke vom Typ „Genie“ - Belegung mit 60 Mann
Grundriss einer Baracke vom Typ „Genie“ - Belegung mit 40 Mann

Die beiden durchgehenden Pritschen bedecken ca. 4/5 des Bodens, deshalb meinte man wohl, man könne bei den Baracken der Internierten auf einen Fußboden verzichten, zumal ein solcher Fußboden die Bauzeiten deutlich verlängert hätte. Die Internierten machen aus dieser Not eine Tugend und legen unter den Pritschen den einen oder anderen „Keller“ an [6]. Damit die Benutzer bei dieser Enge noch eine kleine Möglichkeit haben, persönliche Dinge irgendwo abzulegen – die Pritschen sind ja nur 2 m tief – , sind über dem Mittelgang noch einige Bretter eingelegt, die als Ablage („planches à bagages“) dienen. Ein kleiner Kanonenofen etwa in Mitte des Gangs und zwei Stalllaternen vervollständigen die Einrichtung. Die Internierten erhalten für den Aufenthalt einen Strohsack, der gelegentlich erneuert wird, und eine Decke. Es gibt auf Île Longue keinen wirklichen Winter, Frost und Schnee sind nur selten und eher eine Sache von Stunden, denn von Tagen. Aber +3° C in der Nacht und +10° C am Tag sind insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit auch nicht gerade warm. Der Kanonenofen ist kaum geeignet die ganze Baracke zu heizen, aber zumindest in seiner direkten Umgebung dürfte er etwas Wärme verbreiten, wenn es genügend Material zum Heizen gibt. Das ist nicht immer der Fall.

Eine Baracke ohne Einbauten, Hellmut
Felle nennt sie „Türkenbaracke“

Bereits im Laufe des Jahres 1915 fangen die Zivilinternierten an, die Baracken etwas wohnlicher zu gestalten. Die inzwischen auch vorhandenen Kriegsgefangenen, aber auch z.B. die Türken, Ungarn und andere, die über nur wenige oder keine Geldmittel verfügen und die auch nicht nach Hause schreiben können, weil es bei der Zensur keine geeigneten Übersetzer [7] gibt, sind von diesen Verbesserungen weitestgehend ausgeschlossen. Eine der ersten Maßnahmen ist das Aufhängen von Decken, um damit einen Teil der „Pritsche“ abzuteilen [8]. Das geht aber nur, wenn die Baracke noch nicht voll belegt ist.

Baracke vom Typ „Genie“ mit Einbauten

Schaut man sich den Grundriss einer Baracke an, erkennt man, dass bei einer Belegung mit 40 Mann auf je 4 Mann zwei Achsabstände der konstruktiven Rahmen und ein Fenster kommen. Auf 4 Mann entfällt also eine Fläche von 2,00 m x 4,80 m = 9,60 m². Wenn man Betten baut und je 2 übereinander stellt, benötigen die eine Fläche von 2 x 2,00 m x 0,70 m = 2,80 m². Stehen die Betten nun jeweils rechts und links im Raum, verbleibt dazwischen eine Fläche von 2,00 m x 3,40 m = 6,80 m², Platz für einen kleinen Tisch und 4 Stühle. Baut man die Stockbetten so, dass sich das obere Bett nach oben oder unten klappen lässt, kann man mit den beiden Strohsäcken so eine Art Couch gestalten.

Das „Wohnzimmer“ von Hellmut Felle

All die genannten Möbel gibt es zwar nicht, aber es gibt im Lager genügend Männer, die so etwas bauen können – man muss nur das erforderliche Material organisieren. Und genau so geschieht es auch. Als Trennwände dieser „Kabinen“ werden Rahmen aus Holzleisten gebaut, mit Sackleinen bespannt und mit Tapete überklebt [9]. Die Tür zum Mittelgang wird als Schiebetür ausgeführt. Auf den Bretterboden kommt ein Stück Linoleum. Die erforderlichen Materialien können in Brest gekauft werden.

Grundriss einer Baracke vom Typ „Genie“ mit beispielhaften Einbauten

Ein gewisser Nachteil dieses Konzeptes ist die nicht mittige Anordnung des Fensters und dass man die Betten tagsüber umbauen muss und sie nicht jederzeit zur Verfügung stehen. Es gibt daher noch eine andere Variante: Die Fläche von zwei konstruktiven Feldern wird in zwei gleichgroße Flächen abgeteilt: 2 x 2,40 m x 2,00 m, also je 4,8 m² – ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer [10]. Auch hier sind es vier Bewohner, die sich die Räume teilen. In das Schlafzimmer kommt links und rechts je ein Doppelstockbett mit je 0,70 m Tiefe, bleibt also zwischen den Betten ein Abstand von etwa 1,00 m. Das ist zwar etwas wenig Platz, wenn alle vier zur gleichen Zeit ins Bett oder aus dem Bett wollen, aber die ursprüngliche Konzeption der Baracken ohne Kabinen bietet auch nicht mehr Platz. Das Wohnzimmer ist nun zwar etwas kleiner als bei der Einraumlösung, aber ein kleiner Tisch und vier Stühle oder ein kleiner Tisch, zwei Stühle und eine Art Couch passen schon hinein. Großer Vorteil der Zwei-raumlösung ist, dass die, die noch nicht schlafen wollen, die anderen, die bereits im Bett sind nicht stören.

Xaver Rimmelin in seinem
„Wohn-/Schlafzimmer“

Aber es gibt einen entscheidenden Nachteil: Eine der beiden Kabinen hat kein Fenster. Es sei denn, man baut sich ein Fenster und sägt ein passendes Loch in die Barackenwand [11]. Das ist natürlich verboten und wird bestraft. Aber auch die Strafe hält von der Tat nicht ab – die passenden Löcher werden gesägt und eines Tages hat eine Baracke statt fünf acht oder zehn Fenster in einer Seite. Die Glasscheiben für die Fenster lässt man sich aus der Heimat schicken [12]. Da im Laufe der Zeit die Zahl der Internierten pro Baracke von 40 auf 34 und zum Teil auch noch weniger reduziert wird, kommt der eine oder andere sogar in den Genuss eines „Einzelzimmers“. Die Lagerverwaltung duldet die Fenster letztlich und auch die Inventarisierung vom August 1916 kümmert sich nicht um die von den Internierten vorgenommenen Umbauten. Dies ist sicherlich gut für das Lagerleben, bieten die Kabinen doch einen Rückzugsort aus einer vielköpfigen Zwangsgemeinschaft und leisten so einen Beitrag zu Verhinderung des Lagerkollers. Möglicherweise ist dies der Lagerleitung bewusst.

Xaver Rimmelin vor seinem Fenster
am Esstisch mit Eigenbaulampe

Vermutlich im Herbst 1915 – also nach fast einem Jahr Bauzeit – sind neben 60 Baracken vom Typ Genie auch alle restlichen für die Funktionalität des Lagers erforderlichen Baracken (Küchen, Waschräume, Latrinen, Duschen, Wäschewaschbaracken, Verwaltungsgebäude, Unterkunft der Wachmannschaft, Kantine, Stall, Magazine etc.) und eine umfängliche technische Infrastruktur (Wasserversorgung, Regenwasser, Abwasser etc.) weitestgehend fertiggestellt. Der überwiegende Teil der Arbeiten wird durch die Internierten selbst durchgeführt. Sie werden dabei zunehmend durch Kriegsgefangene unterstützt.



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