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Le camp d’internés 1914-1919
Le camp d’internés 1914-1919

Dieser Internet-Auftritt verfolgt das Ziel, möglichst viele Informationen über das Internierungslager auf der Ile Longue zusammenzustellen, damit Historiker und Nachkommen der Internierten sich ein Bild von den Realitäten dieses bisher wenig bekannten Lagers machen können - nicht zuletzt auch, um die bedeutenden kulturellen Leistungen der Lagerinsassen zu würdigen.

Le but de ce site est de prendre contact avec les familles des prisonniers allemands, autrichiens, hongrois, ottomans, alsaciens-lorrains... qui ont été internés, pendant la Première Guerre mondiale, dans le camp de l’Ile Longue (Finistère).

Leo Primavesi - eine Annäherung
On-line gesetzt am 25. März 2013
zuletzt geändert am 1. März 2015

von Christophe, Ursula

„Leo Primavesi - eine Annäherung“

von Ursula Burkert, Tochter des Internierten Carl Röthemeyer

Der Name „Leo Primavesi“ ist uns schon seit langem vertraut. In unserer elterlichen Wohnung befanden sich sieben Bilder, die mit diesem Namen signiert waren. Diese Bilder wurden von unserem Vater immer gut gehütet. Sie hingen 13 Jahre in seiner Junggesellen Wohnung, und als er im Jahre 1933 heiratete, begleiteten sie ihn in sein neues Heim.

Von unserem Vater wussten wir nur, dass er die Portraits aus einem Internierungslager in Frankreich auf der Ile Longue mit nach Hause gebracht hatte. Sie waren das Geschenk eines befreundeten Maler namens Leo Primavesi. Auch nach der Internierungszeit gab es offensichtlich Kontakt zwischen den beiden Männern, denn zwei dieser Bilder (ein Ölbild und eine Tuschzeichnung) stammen aus dem Jahr 1920.

An Erzählungen unseres Vaters über das Lagerleben oder über seine Beziehung zu Leo Primavesi können wir uns nicht erinnern. Wir wissen nur, dass er während der Internierungszeit bei Bauern arbeiten musste, und dass er dort gut behandelt wurde. Er sprach wohl nicht gern über diese Zeit. So war Leo Primavesi für uns nur ein Name, ein Künstler - der Maler dieser Bilder.

Wir fragten auch nicht nach, denn die Zeiten waren turbulent: Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die Wirren der Nachkriegszeit, dann die Krankheit unseres Vaters.

Der Anblick dieser Bilder war für uns Kinder etwas Alltägliches, sie waren ein Teil der Wohnung so lange wir denken konnten. Dennoch hatten diese Bilder eine Wirkung auf uns:

Die Portraits zeigen unseren Vater, der meist freundlich oder sogar heiter aussah, sehr ernst und verschlossen. Auf den Bilder war er für uns ein Fremder. Es war eine lange Zeit vergangen – 30 Jahre und mehr -, es war ein anderes Leben.

Die beiden anderen Bilder aus dem Jahr 1920 lösten bei uns Kindern dennoch zwiespältige Gefühle aus. Die sagenhaften Gestalten der um die Grazie tanzenden Faunen regten unsere Fantasie an. Das dunkle Waldstück mit den winzigen Lichtblicken in der Ferne erschien uns finster und unheimlich. Als wir älter wurden fanden wir diese Bilder in unserer Wohnung sowohl thematisch (Die zarte unbekleidete Dame hing öffentlich im Flur!) als auch farblich ( Das düstere Waldbild war an einer schattigen Wand im Wohnzimmer angebracht.) etwas unpassend.

Trotzdem begleiten uns diese Bilder noch heute als wichtiger Bestandteil des Nachlasses unseres Vaters. Sie wurden von uns ausgewählt und aufgeteilt:

Die Älteste behielt das Portrait, bei dem ihre Ähnlichkeit mit dem Vater am deutlichsten ist. Die Zweite wählte das sehr malerische, leicht feminine Portrait, dem sie gleicht, dazu das Bild der Faunen, das sie besonders fasziniert hat. Ich besitze das einzige Portrait, auf dem die Lagerbekleidung unseres Vater zu sehen ist, und das düstere Waldbild mit dem gefällten Baum.

In der Zeit des World-Wide-Web war es möglich, die längst fällige Frage zu stellen:
Wer war Leo Primavesi?

Seit ca. 10 Jahren suchen wir nach Informationen, fanden jedoch nur wenige Hinweise auf einen Maler namens Leo Primavesi:

  • Ein von Leo Primavesi illustriertes Kinderbuch „OUDE VLAAMSCHE KINDERFEESTJES & VOLKSVERMAKEN“ von Jacob Stinessen, Antwerpen 1908
  • Einen Bericht von Leo Primavesi im Antwerpener Bull. Du bur. d’étude des phén. Spir. aus dem Jahr 1906 aus MATTIESEN, E.,. Der jenseitige Mensch. Eine Einführung in die Metapsychologie der mystischen Erfahrung. Bln., de Gruyter, 1925. 8, 825 ...
  • Diverse Bilder, Zeichnungen und Lithographien nach 1920
  • Aus einer Dokumentation über Kunst und Eifel – ein Projekt aus dem Jahr 1936: Das Bild einer alten Steinwinde sowie ein Kommentar zu diesem Bild in dem Aufsatz „Der neue Weg der Kunst zum Volk Ausstellung des NS.-Gemeinschaftswerks „Kunst und Künstler“ in Mayen von Otto Klein : „… mit einem feinen Empfinden für malerische Tonstufen malte dagegen der Kölner Leo Primavesi eine alte Steinwinde“.

Dann kam der wichtigste Internet-Fund im Januar 2013: Die neue Website des Internierungslagers Ile Longue mit umfangreichen Informationen über das Lager. Der Kontakt zu der Arbeitsgruppe dieser Website gab der Suche einen weiteren Schub. Wir erfuhren Überraschendes über die Geschichte unseres Vaters und viel Neues über Leo Primavesi.

Aus der Liste der Inhaftierten stammen folgende Informationen:

Leo Primavesi wurde am 25. März 1871 in Köln als Sohn von Joseph Primavesi und Marie Arns geboren. Seine Verhaftung fand am 5.08. 1914 in seinem damaligen Wohnsitz Antwerpen statt. Zuerst kam er zum Lager Dinan, dann am 28.04.15 zur Ile Longe, freigelassen wurde er am 20.10.1919.

Diese Daten legen nahe, dass die bereits gefunden Informationen „unserem“ Leo Primavesi zugeordnet werden können.

In der Lagerzeitschrift „Die Insel-Woche“ sind fünf Abbildungen von Lithographien mit seiner Signatur oder seinem Zeichen zu finden.. Sie sind ein beeindruckendes Zeugnis der Stimmungslage des Künstlers. Weitere Zeichnungen in „Die Insel-Woche“ tragen seine Handschrift, sind aber nicht gekennzeichnet.

Links hierzu:
2. Serie, 1. Jahr
Nr. 31 vom 04.11.1917
Nr. 34 vom 25.11.1917
Nr. 38 vom 23.12.1917
2. Serie 2. Jahr
Nr. 02 vom 14.04.1918
Nr. 03 vom 21.04.1918

Ein weiterer Fund aus dem Internet kam hinzu: In der Mappe „Darstellungen aus der Theaterproduktion des Internierungslagers Ile Longue“ befand sich unter den 25 Farblithographien von Leo Primavesi neben dem Portrait von G.W. Pabst, mit dem er eng zusammengearbeitet hatte, ein Selbstportrait des Künstlers.

Endlich hat Leo Primavesi für uns ein Gesicht!

Leo Primavesi, Selbstportrait, „se ipse delineavit“, 11/2/1916

Sein Lebenslauf ist noch recht unvollständig, die Suche geht weiter.


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